DRUIKNUI März 2010 in Gültstein (Herrenberg)
Foto: Gabriel Holom, Gäubote (Herrenberg)

 

druiknui
druiknui in der schule

DER CLOWN IST NUR EINE TÄTIGKEIT VON VIELEN
Gültstein: Hellmut G. Haasis unterhält mit Mundart in der Grundschule

von Thomas Morawitzky

Eigentlich ist er ja alles Mögliche: Buchautor, Historiker, Verleger, grantiger Anti-Nazi, ehemaliger Gemeinderat in Reutlingen. Am Donnerstag aber war Hellmut G. Haasis etwas ganz anderes: der Mann mit der roten Stempelnase und dem Zylinder, der Mundartclown „Druiknui“ für die Kinder der Gültsteiner Grundschule.

Dort trat der 68-Jährige am Donnerstagvormittag zweimal auf, ein klassischer Clown mit weiß geschminktem Mund, rot-schwarz-kariertem Hemd, Hosenträgern, weißen Handschuhen und rustikalen braunen Beinkleidern.

„Druiknui“, erklärt er, heiße „Dreiknie“ – was daher komme, dass ein Mensch, drehe er sich nur schnell genug um, drei Knie habe.

Haasis ist eine Clownsfigur, wie man sie so alt und kauzig nur sehr selten erlebt, und er hat sichtlich ebenso Freude an seinem Auftritt, wie die Kinder, die ihm zusehen, bei seinen Albereien und Zirkus-Kunststückchen.

Zum ersten Mal, erzählt Hellmut G. Haasis, trat er als Clown geschminkt auf vor 30 Jahren, damals allerdings noch nicht vor Kindern, das kam zwei Jahre später. Dem Hobby ist er seither treu geblieben – „Das ist für die Seele“, sagt er.

Haasis ist dabei nicht nur überzeugter Schwabe, sondern auch überzeugtes Landei: Am liebsten spielt er auf den Dörfern. „Die Kinder dort sind viel ruhiger als die Stadtkinder.“ Und sie sind auch gescheiter, findet er: „Das geistige Potenzial liegt auf dem Land.“

In Gültstein zumindest konnte er sein Publikum begeistern, mit schrulligem Charme.

Haasis kämpft auch in anderer Hinsicht für das Landvolk. Am bekanntesten wurde der 1942 in Mühlacker geborene Autor als Biograf des Hitler-Attentäters Georg Elser. „Den Hitler jag ich in die Luft“ heißt das Buch, erschienen erstmals 1999, seit 2009 wieder lieferbar in überarbeiteter Neuauflage der Edition Nautilus.

Elser ist eine Figur, die dem streitbaren Reutlinger Haasis besonders am Herzen liegt – eben  ein Mann vom Land, kein lange ausgebildeter Generalstäbler wie Stauffenberg, sondern ein Tischler, der, als Einzelgänger, in einem kleinen Ort auf der Ostalb, Königsbronn, geduldig an der Bombe bastelte, mit der er Adolf Hitler und die gesamte NS-Führungsspitze im Münchner Bürgerbräukeller am 8. November 1939 in die Luft jagen wollte.

Heute gilt es als sicher, dass Elser, hätte er mit seinem Unternehmen Erfolg gehabt, gute Chancen gehabt hätte, das größte Verbrechen des 20. Jahrhunderts, den Holocaust, zu verhindern. Elsers Attentat scheiterte an einer Kleinigkeit: Hitler brach seine Rede im Bürgerbräukeller des schlechten Wetters halber früher ab. Die Bombe explodierte wie vorgesehen, der Diktator jedoch war schon weg. Elser wurde wiederum aufgrund eines Zufalls verhaftet, lange gefoltert und mit Drogen gefüllt.

Im Jahr 2003 erschien eine Sondermarke der Post, die nicht mehr das Bild des geschundenen und aufgequollenen Attentäters zeigt. Dass Georg Elser vielen heute noch als irrer Einzelgänger gilt und in Geschichtsbüchern meist gar nicht erwähnt wird, erzürnt nicht nur Haasis.

Bei einem Auftritt des Autors anlässlich der Neuauflage seines Buches vor wenigen Wochen schloss sich an die Lesung im Stuttgarter Theaterhaus eine lange Diskussion an. Für Hellmut G. Haasis ist der Hitler-Attentäter eine Integrationsfigur: Der Schwabe eben, der kein Mitläufer und kein Nationalsozialist war, ein ganz rares Pflänzchen.

Schwabe ist und bleibt auch der Autor, der sich als Dramatiker, Erzähler, Märchenclown und „Ausgräber von Freiheitsbewegungen“ betätigt, durch und durch. In Herrenberg war er schon einmal („Der schönste Friedhof, neben dem man essen kann“), in Gültstein noch nie.

Dort hüpfte er am Donnerstag mit seinem kleinen Akkordeon – „ein alter Fußball“, wie er behauptet – auf und ab, spielte für die Kinder Kuchenlieder und erzählte vom Eisenbahnfahren: „I fahr gern Eisenbahn, da kann i nix verkehrt mache, bloß das Umsteiga isch gefährlich.“

(Gäubote, Herrenberg, 5. März 2010)

Weitere Stimmen aus dem Blätterwald

"druiknui gelang es, die kinder so zu aktivieren, dass am ende ein gemeinsam erdichtetes märchen entstand. der gipfel war das zutrauen der kinder zu den eigenen schöpferischen fähigkeiten." (backnang)

"bei dem heiteren einstieg mit dem floh, der in wirklichkeit gar nicht da war, vergaßen wir ganz den abstand, der die schüler normalerweise vom autor trennt. auch er ein mensch, dem es nicht immer gelingt, alles recht zu machen." (uhingen bei göppigen)

"druiknui hat eine ausstrahlung, die ihresgleichen sucht: ein warmherziger schwäbischer spaßmacher, den die kinder sofort mögen." (reutlingen)

"„wenn ein satz dem anderen ein bein stellt"
ungewöhnliche autorenlesung des märchenclowns
druiknui in der grundschule hertmannsweiler

„sechs pfund grinsen, 18 liter gelächter und 220 meter
neugierde" sollten die schüler der grundschule
hertmannsweiler zur vorstellung des reutlinger hellmut g.
haasis mitbringen. kein problem - die kinder waren für den
besuch des märchenclowns bestens gerüstet.

hinter dem rot-schwarz gestreiften vorhang mit der
geheimnisvollen aufschrift „drui knui" spielt sich rätselhaftes
ab: gemurmel und husten ist von dort zu hören, ab und an
ertönt ein fast dreckiges gelächter, dazwischen scheppert eine
glocke, gefolgt von den schrägen tönen einer melodika.
richtung decke schweben bunte seifenblasen. wer steckt
hinterm vorhang? die grundschüler ahnen es und kichern
schon, bevor sie ihn überhaupt gesehen haben - den
märchenclown druiknui.

zunächst traut er sich gar nicht hinterm vorhang hervor - die
mädchen und buben, fürchtet er, könnten ihn mit einem vesper
verwechseln. dann stolpert er doch heraus, im rot-schwarz
karierten hemd, die hose halten hosenträger. seinen großen
koffer stellt er sich selbst auf die zehen und bricht zur freude
der kinder in wehgeschrei aus.

dieser mann, das zeigt sich schnell, ist dringend auf die hilfe
der kleinen zuschauer angewiesen. die müssen ihm geduldig,
silber für silbe, erklären, dass er mitnichten in
„weichfraustetten" gelandet ist, sondern in hertmannsweiler.
seinen eingedellten zylinder beult die kleine julia mit einem
gezielten schlag wieder aus, zwei kinder zeigen ihm, wie er die
leiter tragen muss, um durch die tür zu kommen und den
namen druiknui ("dreiknie - zwei vorne und eines hinten zum
draufsitzen") übertragen die grundschüler mit links ins
hochdeutsche.

auch das märchen „rotkäppchen" gerät bei dieser lesung der
etwas anderen art durcheinander - die großmutter, eine „alte
gewichtheberin", versetzt den hungrigen wolf in angst und
schrecken. und dann ist da noch druiknuis ungezogene tochter
flora, die nicht so will wie der papa und öfter mal
dazwischenfunkt. leider kann man sie nur mit einer
„zauberbrille" sehen, erklärt druiknui, und zwar nur „gescheite
leute". nacheinander setzen sich die schüler das schwarze
ungetüm auf die n ase, und siehe da - sie sehen flora.

„wir hatten schon öfter autorenlesungen in der schule", meint
rektor gerd fees, „aber einen clown haben wir noch nie gehabt.
druiknui spielt mit worten - das spricht die kinder an." der
„geschichtsausgräber" hellmut g. haasis formuliert das so: „ein
satz stellt dem anderen ein bein."

schusseliger märchenclown druiknui ist er nur im nebenerwerb.
hauptberuflich ist der 61jährige reutlinger historiker und
schriftsteller. unter anderem hat er eine biografie über den
hitler-attentäter georg elser verfasst. seit mittlerweile 20 jahren
reist der reutlinger als märchenclown durchs land. „das will ich
machen, bis ich 85 jahre bin - und danach will ich
weiterspielen."

(winnender zeitung, 25. januar 2003

 
 
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